Roco geoLine, die verpasste Gleis-Chance.

Roco Line mit Bettung (links) und geoLine (rechts).

Am Anfang war der Schreck: Das erste Mustergleis mit dem Aufdruck „geoLine“ verbiesterte mir im Frühjahr 2006 den Vormittag. Durch die damals aktuellen Umstände waren Rocos Stammkunden ohnehin genug beunruhigt. Und nun ersetzte man auch noch das beliebte RocoLine Bettungs-Gleis durch…, nunja, das da…?

Gleis-Anschluss ohne Schnippelei aber in schlichter Optik.

Dabei war es eigentlich eine gute Idee von Roco, ein alltagstaugliches Spiel-Gleis anzubieten. Damit ließen sich unbeschwert alle möglichen Gleisfiguren aufbauen, ohne an der Bettung herumschnippeln zu müssen; ein Komfort, den Märklin- und Fleischmann-Modellbahner bereits seit vielen Jahrzehnten genießen. Aber Rocos ‚geoLine‘ geriet zum ästhetischen Albtraum.

Mit den engen Weichen und drei Radien hätte man anfangs vielleicht noch leben können, nicht aber mit der schlichten optischen Gestaltung. Nachdem man 17 Jahre lang RocoLine mit Bettung als das NonplusUltra angepriesen hatte, war geoLine schon dreist. Und natürlich war die erste Bewertung des Produktes allerorten einhellig: Daumen runter.

Ausgerechnet der künstliche Farbton der Bettung wurde als Reminiszenz an RocoLine mit Bettung verklärt. Denn gerade die Bettungs-Farbe nervt viele Käufer von Roco Line seit dem Erscheinen 1989. Menschen kaufen nicht immer nur nach Faktenlage („…sehr exakt gemacht!“), sondern auch nach Gefühl („…wie sieht DAS denn aus?“). In der Schule nennt man sowas übrigens ‚Folgefehler‘.

RocoLine Muster (1989), RocoLine Serie und geoLine.

Und auch deswegen ist im deutschsprachigen Raum das erfolgreichste DC-Bettungsgleis noch immer das Fleischmann-ProfiGleis, trotz seiner altmodischen Konstruktion. Eben, weil es schön aussieht, und sowas mögen die Menschen. Ich selbst erlebte es in den 90er Jahren im Fachhandel, wie Neu-Einsteiger fortwährend die Roco-Sets verschmähten, weil ihnen die „künstlich aussehenden Gummigleise“ von Roco nicht gefielen. Gekauft wurden Startsets von Fleischmann oder märklin, oder Spur-N natürlich.

Sehenden Auges wiederholte man also den eklatantesten Ästethik-Fehler aus den 80er Jahren und versenkte den möglichen Sympathie-Bonus ein zweites Mal: Ursprünglich war die Bettung von RocoLine nämlich in braun gefärbt gewesen. Noch vor der Auslieferung ließ Roco per Umfrage über alternative Farbtöne abstimmen, eben das ursprüngliche Braun sowie drei aufwändig gesprenkelten Grau-Töne. Die Modellbahner wählten die aufwändigen Farben (also grau in diesem Fall) und Roco änderte das Ergebnis dann heimlich in das blaugrau, das wir alle kennen. Irgendwie eine heimtückische Sache.

Um die negativen Dinge von geoLine aufzulisten:

– Die lieblose Optik mit blaugrauem, glänzenden Kunststoff und schwacher Struktur des Schotters lässt das Produkt künstlich und spielzeughaft aussehen. Man hätte hier einen Sympathie-Träger schaffen können, diesen findet man statt dessen beim Mitbewerber in Form des inzwischen beliebten Trix C-Gleises. Ja, man darf mit Roco Zügen auf märklin DC-Gleisen fahren, das ist erlaubt, und es funktioniert. 🙂

Die kurzen End-Stücke sitzen immer etwas schief.

– geoLines Böschung ist nicht nur unansehnlich gestaltet, sie ist auch viel zu dünn: Direkt auf Holz oder Parkett aufgelegt, erzeugen rollende Züge beim Fahren ein extrem lautes, rauschendes Geräusch. Auch das Klicken der Räder auf den Übergängen von Gleis zu Gleis ertönt ungewohnt laut. Dieses harte, fortwährende Klick-Geräusch ist eine Art unerwünschtes Markenzeichen von geoLine. Die Gummibettung des RocoLine Gleises hatte genau diese Geräusche wirksam unterbunden. Langjährige Roco-Kunden dürften bei den ersten Fahr-Versuchen auf geoLine eine Art Kultur-Schock durchlitten haben.

Reverse Evolution

– Die Auswahl ist sehr beschränkt, der avisierte Ausbau mit weiteren Gleis-Elementen unterblieb. Es gibt keine Kreuzungen, nur eine DKW, die im professionellen Ausbau mit jeweils zwei Antrieben und Decodern besonders teuer ist: Unpassend für ein Einsteiger-Gleis. Von schlanken Weichen war leider nie die Rede, bei Trix sind sie übrigens von Anfang an dabei. Und erneut hatte man bei Roco auf Weichen-Laternen verzichtet. Übrigens, die derzeit bei Trix-C noch fehlenden Kreuzungen kann man sich aus märklin-Kreuzungen zurechtbasteln.

– GeoLines Haltbarkeit ist recht bescheiden. Im Katalog nannte man das Produkt ‚trittfest‘, aber das ist natürlich Quatsch. geoLine bricht sogar extrem leicht, eben wegen der dünnen Böschung. Und dann gibt es noch geoLine Gleise, deren Böschung sich nach Jahren grünlich verfärbt. Aber das betrifft wohl nur vereinzelte Produkt-Chargen.

Unten eine ‚vergrünte‘ und zerbrochene geoLine Bettung.

– Das Schienenprofil von geoLine war ganz am Anfang auf der Oberseite platt. Nach ein paar Jahren wurde ein neues Profil entwickelt, sowohl seitlich als auch nach oben ausgerundet. Damit sieht geoLine schon mal filigraner aus, und auch die Stromaufnahme wird verbessert, weil Schmutz beim Befahren zur Seite weggedrückt wird. Das funktioniert wirklich, auch bei RocoLine und märklin/Trix C. Man hat sehr klug nachgearbeitet. Allerdings gibt es geoLine Gleise, die beide Profiltypen zeigen, platt und gewölbt. Warum? Man mag schon gar nicht mehr fragen.

Fehlkonstruktion.

Einen Konstruktionsfehler besitzt die Dreiweg-Weiche: Eins der Herzstücke zeigt schräg aufwärts und ragt damit über das angrenzende Schienenprofil hinaus. Was das auf Dauer mit den Rädern und Haftreifen anstellt, kann man sich wohl ausmalen.

– Rocos Preis-Gestaltung von geoLine-Zubehör ist recht ambitioniert: Roco fordert 26.- für den Antrieb und nochmal 25 Euro für den Weichendecoder. Plus Weiche wohlgemerkt. Welche normalen Jugendlichen können sich das leisten? Schließlich dürften diese die Haupt-Zielgruppe von geoLine sein. Aber zum Glück gibt es Alternativ-Anbieter, deren Decoder für Weichen, Entkuppler und Signale nur jeweils elf Euro kosten und ebenfalls in der Bettung verschwinden. Dazu kommt natürlich Rocos geoLine-Antrieb.

https://modellbahnshop.moba-digital.de/epages/12489450.mobile/de_DE/?ObjectPath=/Shops/12489450/Products/WeichEi&Locale=de_DE

Oder man wählt direkt Viessmanns digitalen Weichenantrieb, der kostet rund 30 Euro.

Rechts unten fehlt ein Mini-Gleis.

– Auch bei geoLine fehlt das typische Mini-Gleis, das den Längenunterschied der beiden Standard-Geraden ausgleicht. Damit ließen sich noch kompaktere Weichenstraßen aufbauen. Die Frage nach diesem Mini-Gleis wurde von Roco beantwortet mit der lapidaren Aussage, genau dafür gebe es ja die unterschiedlichen Standardgeraden. Nicht zu fassen. In einer Anlagenecke, in der sich viele Weichen tummeln sollen, helfen Standard-Geraden übrigens gar nichts.

So sah eins meiner geoLine Gleise aus, das ich sich in Ruhe ‚entwickeln‘ ließ.

Eine besonders ärgerliche Sache ist der Rostbefall (oder sowas) von geoLine Gleisen. Es gibt gar nicht wenige geoLine-Exemplare, deren Schienen irgendwann kleine dunkle Punkte entwickeln. Wie aus dem Nichts heraus. Diese Punkte können größer werden, bis sich schließlich großflächige rotbraune Flecken über die Schienen ausbreiten.

…so kann es anfangen: Kleine Punkte, die sich vermehren und größer werden…
geoLine Gleise „können nicht korrodieren“, schrieb mir ‚Roco‘. Achso! :-))
Hohe Qualität stellt man sich anders vor…
Ein Freund sandte mir dieses Foto seines geoLine Gleises.
So sah eine meiner geoLine Weichen aus.

Solchermaßen verunstaltete Gleise habe ich selbst im Jahr 2015 bei Roco reklamiert, und anstandslos wurden sie ausgetauscht. Das fand ich sehr nett. Ein Jahr später reklamierte ich genau diese ausgetauschten Gleise erneut, weil sie wiederum von Rost befallen waren (wie von mir bereits befürchtet).

Dieses Mal aber tauschte Roco die Gleise nicht um. Statt dessen verzögerte sich der Vorgang mehr und mehr, irgendwann beantwortete man meine Emails nicht mehr (wie man hört ein typisches Verhalten des Herrn, ‚Ghosting‘ nennt man das heute) und schließlich lag der Rücksendung ein fünfseitiges Schreiben aus Rocos „Justizabteilung“ (!) bei, dessen Kernaussage in etwa lautete, dass geoLine gar nicht „korrodieren“ könne, weil dessen Schienen kein Eisen enthielten. Mit in der Sendung lagen meine rostigen Gleise. Das fand ich weniger nett.

In diese Sache eingemischt hatten sich zudem ein allzu kommunikativer Roco-Außendienstler sowie ein allzu wortreicher Händler; es war, als hätte man ohne nachzudenken ‚Stille Post‘ gespielt, bis jeder auf jeden sauer ist. Wegen ein paar lausiger, rostiger Gleise, man stelle sich das mal vor.

Unten ein Korrosions-Fleck, oben Gleis-„Karies“.

Von den verrosteten Gleise habe ich mich natürlich getrennt, das bemerkenswerte Schreiben aber bewahre ich selbstverständlich auf.

Letztlich gab es von Rocos ‚ganz oben‘ eine wirklich großzügige Entschuldigung wegen dieser Angelegenheit – und das war dann doch wieder nett.

Top secret 😎: Währenddessen berichtete mir ein Fachhändler von heimlichen Anrufen aus dem Hause Roco, er möge bitte das Lager nach weiteren angerosteten Gleisen absuchen. Wie würde Obelix sagen? Genau. 😁

Pluspunkt: Die geoLine-Geometrie

Trotz der Kritik findet sich bei geoLine ein unerwarteter Vorteil. Und das ist die, *surprise*, Geometrie. Die Geometrie von geoLine ist dermaßen bestechend klug erdacht, dass man sich wünscht, sie wäre in einem attraktiveren Gleis verwirklicht worden. Fast jede (un-)mögliche Figur geht auf, das Planen mit geoLine macht richtig Spaß. Wenn es nur mehr Elemente gäb und das Gleis schöner aussähe…

Mir sind ein paar geometrische Tricks aufgefallen, über die der Hersteller selbst bislang kein Wort verloren hat. Denken darf man. Letztlich macht die Geometrie geoLine trotz aller berechtigter Kritik sehr geeignet für kompakte Spiel-Anlagen, auf denen etwas los sein soll. Optisch kann man nachhelfen, dazu mal später mehr.

So kann man eine geoLine Weiche mit einer kurzen R2 in einen Halb-Kreis R3 einsetzen.

Eine Gebogene R3 lässt sich oft ersetzen durch eine Weiche zusammen mit einer kurzen Gebogenen R2. Man muss nur auf den Längenausgleich achten: Wo sich oben eine lange 200mm Gerade findet, braucht es unten eine kurze Gerade mit 185mm. Das funktioniert so gut, dass sich einige Weichenkombinationen eben doch in eine Anlagenecke einbauen lassen. Ebenso lässt sich der typische Bahnhof aus einem Roco-Startset mit diesem Trick nach außen verlegen, sodass die Züge keine unschöne S-Kurve mehr durchfahren müssen. Und die möglichen Bahnhofsgleise werden länger.

So einfach lässt sich das Bahnhofs-Gleis nach außen verlegen: Die hellblauen Gebogenen entsprechen dem R2, die dunkelblauen dem R3, die dunklen geraden 185mm, die hellen 200mm. Eine prima Geometrie.
normale Weichen als Bogenweichen. Klappt! 🙂
Die rosa-farbenen Gleise oben deuten Rocos große Bogenbrücke an, darauf sind RocoLine-Geraden ohne Bettung, Länge jeweils 23cm. Geometrisch einwandfrei.

Rocos klassische Bogenbrücken lassen sich in die geoLine Geometrie einpassen, darin werden natürlich die RocoLine Gleise (ohne Bettung) montiert. Das geht geometrisch so perfekt auf, dass man wohlwollende Absicht vermuten darf. Zum Anschluss von geoLine an die RocoLine-Gleise auf den Brücken empfehlen sich die geoLine-Übergangsgleise.

Kehr- oder Wendeschleifen lassen sich ganz prima mit geoLine aufbauen; hier mal ein etwas überaufwändiger Entwurf. Wer es schlichter bevorzugt, kann sich hier das Passende heraussuchen.

Viele Lokschuppen erwarten enge Gleis-Abstände. Die meisten dieser Bausätze stammen konstruktiv aus Zeiten, als die H0-Gleissysteme noch dem Normabstand von 57mm folgten. GeoLines Parallelgleise sind dagegen rund 77mm auseinander. Aber mit einem Trick lassen sich diese Lokschuppen dennoch verwenden, wie das Beispiel mit den kurzen R1 Gebogenen zeigt. So findet der gewünschten Lokschuppen doch seinen Platz auf der Anlage.

Fazit: geoLine ist von der ersten Intention her sicher klug erdacht worden, und es hätte den Markt wirklich bereichern können. Aber in Aussehen und Fertigungs-Qualität gab es eine Bruchlandung. Ich kann mir gut vorstellen, dass Roco-Kunden weltweit über ein optisch und technisch renoviertes geoLine-System mit mehr Auswahl und in solider Qualität überglücklich wären, sogar glücklicher als mit…

…mit dem Relaunch von RocoLine mit Bettung. Ob im Zeitalter von Apps und Smartphones die Modellbahner überhaupt noch Lust haben auf kompliziertes und im Fall von Roco vor allem endgültiges Abschneiden der Bettungen sowie die vielen unterschiedlichen Mini-Ausgleichsgleise?

Wenn die Welle der ersten Begeisterung abgeklungen ist, wird sich zeigen, ob der Erfolg langfristig sein kann oder nur eine Laune darstellte; ein erleichtertes Aufatmen derer, die die Gummibettung vermisst haben. Denn nicht jedes Comeback hat eine lange Laufzeit.

Zumal Piko inzwischen seinem A Gleis eine schöne Bettung mitgegeben hat, die sich bei Verschnippelungen komplett ersetzen lässt. Eine Idee, die 2006 exakt so von Roco hätte umgesetzt werden können.

Tipps und Tricks zu geoLine:

Rocos hat sich für geoLine unübersehbar an märklins C-Gleis orientiert. Das hat für den Modellbahner unerwartete Vorteile in Bezug auf die Auswahl des Zubehörs:

– Die neuen Märklin-Signale mit Sockel für die C-Gleise (mit DCC/mfx-Decoder) passen auch unter geoLine. Sie sind also gut geeignet für eine Steuerung über Rocos Multimaus, die Z21, Fleischmanns ProfiBoss, Uhlenbrocks Daisy2, oder anderen DCC-Zentralen.

– Auch märklins preiswerte Hobby-Lichtsignale sind prima geeignet zum unbeschwerten Modellbahn-Spielen: Den passenden, preiswerten DCC-Decoder kann man sich für knapp elf Euro hier ordern (bitte dazu das gewünschte Digitalformat DCC oder MM angeben): 123info@moba-digital.de.

Man klebt diesen Decoder einfach mit Doppelklebeband in die Bettung. Das Programmieren erfolgt am Besten vor dem festen Einbau in die (Teppich-)Anlage. Damit lässt sich zwar nur der rot/grüne Lichtwechsel anzeigen, aber das Gleis wirklich abzuschalten braucht man im digitalen Spiel (!) -Betrieb ja nicht mehr. Und ganz sicher ist diese Decoder-Lösung eleganter, als märklins kilometerlange, superdicke Kabel für das spezielle Schaltpult.

– Auch die Oberleitungen sind kompatibel, ob nun Viessmann, Märklin neu oder gar märklin alt: Die Masten lassen sich unter die geoLine Bettungen klemmen. So können sogar Teppichbahner so tun, als sei eine Fahrleitung vorhanden und sich nach und nach einen großen Fundus an Masten zulegen.

– Wer beleuchtete Prellböcke mag, kann sich märklins Artikel 7389 auf die Abstellgleise schrauben und die Kabel im Böschungskörper diskret an die Profile löten.

Bahnsteige sind im Fall von geoLine meistens sehr schmal gehalten, weil man sie einfach zwischen die Parallelgleise stellt. Das ist zwar praktisch, sieht aber eigenartig aus, weil die Proportionen nicht einmal ansatzweise stimmen. Natürlich kann man mit geoLine auch breitere Bahnsteige verwenden, wie die Gleis-Beispiele zeigen. Zum Beispiel Faller (ex-Pola), Kibri und auch Piko bieten breite Kandidaten an.

So einfach ist das: Die gelben Geraden haben 76mm, die dunklen 185mm, die hellen 200mm.
Prinzip-Darstellung.