Mein Selectrix Buch, das nicht sein sollte. Leider? Zum Glück?

Ende der 90er Jahre erhielt ich von Trix den Auftrag, ein Erklär-Buch über das digitale Steuersystem ‚Selectrix‘ zu schreiben; auf Basis des vorhandenen Werkes. Man vertrat die Ansicht, der ausbleibende Erfolg sei auf dessen Schreibstil zurückzuführen, der an ein Physik-Buch erinnere. Dabei war Selectrix selbst klar durchdacht und einfach zu verstehen. 

Meine Ansage dazu war ebenso klar: Zwar kannte ich das System nicht, aber komplexe Sachverhalte leicht verständlich zu formulieren, das kann ich ☺️. Man sicherte mir ausdrücklich zu, mich fortlaufend bei Fragen zu unterstützen. Erfreut unterschrieben beide Seiten den Vertrag, und ich bekam die Selectrix Produkte zugeschickt. Fotos sollten später von einem Redakteur einer „Fachzeitschrift“ erstellt werden. Und bei meinen ersten Anrufen wurden meine (Nach-)Fragen auch tatsächlich beantwortet. 

…*grillenzirpen*

Dabei blieb es. Keiner meiner weiteren Anrufe wurde angenommen, der betreffende Herr war einfach nicht zu erreichen. Ich versuchte es brieflich, ohne Reaktion. Das kam mir denn doch alles sehr seltsam vor. Und der Abgabe-Termin rückte näher.

Dann klingelte eines Tages mein Telefon, und ein mir bis dahin völlig unbekannter Mensch stellte sich vor. Er sei Selectrix-Experte, er habe von meinem Auftrag gehört und würde mir gern helfen. Tja, was blieb mir übrig; ich schrieb also mit, was mir diese mysteriöse Person in die Tastatur diktierte – ohne den leisesten Hauch einer Ahnung über die Qualität seiner Aussagen. Auftrag ist Auftrag, und Abgabetermine sind keine Spaß-Veranstaltung.

Bei der ersten offiziellen Besprechung in Nürnberg stellte sich heraus, dass dieser Typ mir lauter Quark aufgetischt hatte. Trix hatte mein Manuskript prüfen lassen und darin lauter Unsinn entdeckt. Irgendwann blickten mich zwei Augenpaare irritiert an „Wie kommen Sie nur auf diesen Quatsch?“ Kühl verwies ich auf den verweigerten Support, und dass sich jemand Externes angeboten habe. „Wer, um Himmels Willen?!“ erkundigte man sich, und als ich den Namen nannte, seufzten die beiden Trixer laut auf: „Ausgerechnet der! Der hat hier Hausverbot!“

Gereizt berichtete man von einer Gruppe hyperaktiver Selectrix Nutzer aus dem südlichen Bayern, die dieses System regelrecht fanatisch verehrten und mit einer Vehemenz bewarben, die Trix laut eigener Aussage mehr als extrem unangenehm war.

Wie dieser Typ an meine Nummer gelangt war, das konnte sich selbstmurmelnd niemand erklären.

(…hatte ich eigentlich erwähnt, dass ich Hörspiele sammle? Vor allem ältere Aufnahmen; viele neue sind zu geschwätzig. Apropos…)

(c) SonyMusic

Als befriedende Lösung kam man überein, ich möge einfach die genannten Verbesserungen einarbeiten, das Manuskript abrunden und neu zusenden. Gesagt, getan. (Das Verweigern der Unterstützung war übrigens zu keinem Zeitpunkt von Interesse.)

…nun macht man so eine Arbeit ja nicht aus Spaß. Als das Honorar etwas zu lange ausblieb fragte ich angelegentlich bei märklin nach, und als Antwort schnappte mir die Dame entgegen „des Buch schreibet doch net Ssie! Des schreibt der Herr „(Fachredakteur.)“ Aaahja. Da wurde mir dann einiges klar. ‚Nö‘, erwiderte ich, mein Vertrag und meine Reisen nach Nämmbrrch sagten was anderes. Höchst irritiert versprach man mir einen Rückruf.

Der erfolgte auch, aber anders, als erwartet: Als ich später am Tag in die Wohnung zurückkehrte deutete mein damaliger Lebensgefährte resigniert auf den AB „da hat jemand draufgesprochen, aber ich verstehe kein einziges Wort.“ Der sonst so kontaktscheue Trix-Mitarbeiter hatte uns also auf den Anrufbeantworter gemotzt und sich sogar dazu verstiegen, mir ausdrücklich jede weitere Kontaktaufnahme Richtung märklin zu ‚verbieten‘.

Nun klingt für Hamburgisch geprägte Ohren ein aufgebrachter Aggro-Schwabe eher belustigend, und bei jedem weiteren Anhören kicherten wir weiter… 🤭 (Und, hey, ich MAG Schwaben und den Akzent, aber der Typ war halt ätzend. Gell?)

Von diesem ‚Verbot‘ eher so semi-beeindruckt wählte direkt die 07161… Nummer und spielte den dortigen hoch-irritierten märklin-Leuten das Geplärre vor.

Zumindest damals tickte man in Göppingen professionell: Fortan hielt man mir den Herrn vom Hals, mein Ausgleich landete auf meinem Konto und mein Manuskript in der Versenkung.

Man möchte von ausgleichender Gerechtigkeit sprechen, dass das andernorts verfasste Manuskript nicht nur mit extremer Verzögerung erschien und zudem in zwei Teilen. Inzwischen rät man sogar beim Selectrix-Erfinder D&H ausdrücklich davon ab, überhaupt noch in Selectrix zu investieren. DCC sei der weltweite Standard, Punkt.

Gewisse Fehler taktischer Art hätte man bei Trix auch schon 1995 erkennen können, der oben genannte Mitarbeiter schimpfte damals am Telefon: „Unser neuer Selectrix-Decoder ist zu lang für Rocos Decoder-Box? Dann sollen die mal vernünftigen Platz dafür schaffen!“ Niedlich.

🙂🚂