Roco Line mit Bettung reloaded.
Seit einiger Zeit gibt es das Roco Line Gleis wieder mit der Gummibettung zu kaufen. Zeit für eine Betrachtung.
Zur Messe 1989 präsentierte Roco ein neues Gleis-System namens Roco Line. Dabei fielen zwei Features besonders auf: Das niedrige Schienenprofil von 2,1mm, damals eine Sensation, und natürlich die überbreite Bettung.
Nun könnte man eine gewisse Verschwörung wittern, weil die Zeitschrift ‚eisenbahn magazin‘ schon Jahre zuvor den Schlachtruf „herunter von der hohen Schiene“ begründet hatte und die dortigen Testberichte bereits seit Jahren auffallend pro-Roco verfasst waren. Beweisen lässt sich das alles natürlich nicht, aber denken darf man, newahr?
Das Gleis-System selbst, also ohne die Bettung, ist eine schöne, solide Erfindung; etwas verkopft konzipiert, aber das ist bei Roco seit jeher der Fall.
Die zierlichen Schienen mit ausgerundetem Kopf-Profil auf schön gestalteten Schwellen machen etwas her, und praktischerweise bleiben die beiden Konzepte der Weichenformen 15° und 10° in identischem Gleismitten-Abstand, während das C-Gleis von märklin und Trix hier unterschiedliche Abstände liefert.
Grandios sind die vielen verschiedenen Weichenformen, die Roco Line bietet: Nicht einfach Standard- und Bogen-, Dreiweg- und Doppel-Kreuzungsweichen, sondern eben auch ‚Einfache Kreuzungs-Weichen‘ – und dies jeweils für mindestens zwei Konzepte; es gibt inzwischen vier verschiedene Bogenweichen-Typen und die meisten Weichen-Typen sind sowohl in 15° als auch in 10° Version erhältlich. Wer mehr will, als nur herumfahren, wird hier geradezu verwöhnt mit der Auswahl an ‚Abzweig-Möglichkeiten‘.
Dazu gebogene Gleise in fünf (plus drei) Radien, und ein klares Sortiment an Geraden. Alles da und sogar mehr, als man braucht. Das ist HighEnd in Großserie, das habe ich andernorts schonmal so formuliert. 😉
Aber bereits an dieser Stelle findet man auch einen Kritikpunkt: Die vielen unterschiedlichen Mini-Gleise D2, D4, D5, D8 und D12 – sorry, geht’s noch?
Hätte Roco genauer bei märklins K-Gleis nachgeschaut, wäre ihnen schon damals der Gedanke einer lang-kurz-Geometrie gekommen. Heutzutage kann man am PC so lange herumklicken, bis es schließlich zusammenpasst. Aber 1989 war derartiges für die meisten Modellbahner nicht einmal vorstellbar.
Angenehm war, dass Roco das Line-Gleis nachträglich immer mal wieder modernisierte: So erhielten die Weichen zwischenzeitlich Radlenker aus Metallschienen, und in den Bettungs-Weichen experimentierte man mit Magneten anstelle von herkömmlichen Federn.
Ein weiterer und für so Manchen der k.o.-Kritikpunkt sind die Preise der Antriebe für Roco Line Weichen ohne Bettung. Diese kommen nämlich mit schlackernden Weichenzungen und verursachen so Zusatzkosten, selbst für Spielbahner:
Der Handantrieb kostet heute acht Euro, der elektrische fast €30, was teurer ist, als Mitbewerber für eine Weiche aufrufen.
Außerdem kosten heute manche Line-Weichen ohne Bettungen nicht nur nicht weniger, als die mit Bettungen, sondern manchmal sogar mehr, die EKW zum Beispiel.
Die teuren Antriebe verkommen zudem zum Wegwerf-Artikel, sobald man die Gleise fest auf einer Anlage installiert und die Antriebe unsichtbar unter der Platte anbringen möchte.
Einen Unterflur-Satz, wie für das alte 2,5mm Gleis, bietet Roco für das Line Gleis nicht an. Eigentlich unglaublich.
Also, Roco Line ist ein wirklich gutes Gleis, das ich gerne empfehle. Es übertrifft die Produkte der Mitbewerber Tillig und Piko sowohl optisch wie auch technisch, und auch qualitativ ist Roco Line höher angesiedelt. Nur die Preispolitik sowie die ausbleibende Vermarktung sollten an die Realität angeglichen werden. Denn einen Markt für Gleise ohne Bettungen gibt es ja – wie die Genannten beweisen.
Wer ein schönes (!) Schotterbett wünscht, findet dieses bei Merkur:
https://www.merkur-styroplast.de/Gleisbett-Zubehoer/Roco-Line-H0:::46_74.html
Mehr über die Styroplast-Bettung für Roco-Line Gleise hier:
Ach ja, die Line-Bettung. Oh je.
Roco hatte sich damals „Maßstäblichkeit“ als Alleinstellungs-Merkmal auserkoren, vermutlich von irgendeinem wichtigtuerischen Marketing-Typ so eingeredet. Ohne die Nebenwirkungen zu beachten.
Denn so schön maßstäblich lange Fahrzeuge sind, angesichts der Abmessungen in den meisten Wohnungen und den Geometrien der Gleis-Systeme passen sie längst nicht immer in die Gegebenheiten.
Nicht einmal zu Roco Line, wo sich hauseigene 303mm / 312mm Waggons bei der Begegnung auf Bogenweichen 36cm/42cm berühren.
Mich beschleicht der Verdacht, dass man die Bettung nachträglich unter das fertige Line-Gleissystem konstruiert hat. Vermutlich, um die Spielbahner, die gern auf dem Teppich fahren, nicht alleine märklin (alpha-Gleis) und Fleischmann (Profi-Gleis) zu überlassen.
Spielbahner aber waren noch nie die Zielgruppe von Roco, und man hat sich auch später nie wirklich um diese gekümmert, was völlig okay ist, jedem das seine. Aber dann bitte nicht so tun, als ob.
Die Bettung von Roco Line ist also in etwa maßstäblich breit, mit vorbildnahem Böschungswinkel, und sie besteht aus einem Sockel aus hartem Plastik und der weichen Schotter-Nachbildung. Das ist sehr aufwändig, also teuer in der Fertigung.
Der Effekt der Gummibettung ist natürlich eine sensationelle Dämpfung der Rollgeräusche fahrender Züge. Zwischen Sockel und Brett sollte man eine Schicht Zellkautschuk verlegen, damit die Schwingungen sich nicht doch auf das Holz übertragen. Und Verschrauben ist natürlich verboten, ein guter Kleber reicht völlig aus.
Dieses Konzept hat zwei Nachteile: Der Pastik-Sockel wurde relativ flexibel ausgeführt, was die Gleise bei mehrmaligem Auf- und Abbauen verbiegt – und so belässt. Richtig plan wird das nie wieder.
Außerdem sieht die Schotter-Nachbildung irgendwie picklig aus, nicht wie Schotter-Steine, und einheitlich ist das Ergebnis auch nicht: Die Bettungen R2 und G1 sind besonders gut gemacht, andere Bettungsteile aber weniger aufwändig, und besonders die Bettung der Gebogenen R10 wirkt recht flach.
Wegen der maßstäblich breiten Bettung hat sich Roco das Abschneiden des Materials bei Merkur abgeschaut. Klingt einfach, ist es aber nicht; kaum jemand schafft das wirklich exakt, und bei Bogenweichen kriegt man ne echte Krise, zumal Roco selbst das ab Werk auch nicht bewältigt, wie das Foto zeigt:
Überall bekommt man gebrauchte, abgeschnippelte Bettungsgleise zu kaufen, weil die Modellbahner nicht fortwährend an ihre vergeblichen Versuche, Perfektion zu erreichen, erinnert werden wollen und lieber neues Material einkaufen.
Roco hat ignoriert, dass man auch Weichen mal probehalber direkt aneinanderstecken möchte, um Pläne auszuprobieren, und gerade die Weichen anzuschnippeln, das trauen sich Viele nicht. Man baut also immer dasselbe auf. Frustrierend.
Und Roco hatte mal wieder den Faktor ‚Mensch‘ vergessen:
Bis heute gibt es keine Bettungen als Ersatzteile zu kaufen, angeboten wird lediglich so ein popeliges Reparatur-Set. Piko macht das besser.
Außerdem sieht man die Gleis-Übergänge überdeutlich, entgegen dem, was Rocos Pubikationen tapfer behaupteten.
Ein wichtiger Kritikpunkt war und ist die Farbe der Bettung. Ursprünglich war Roco Line mit braunen Bettungen angekündigt, die der beliebten Bettung von Merkur sehr ähnlich sahen. So sehen vielbefahrene Gleise eben aus.
Aber nur drei Monate nach Ankündigung ließ Roco auf der Dortmunder Messe 1989 über die Farbgebung der Bettung abstimmen. Ich selbst war damals nicht vor Ort, aber ein zeitgenössischer Leserbrief im ‘eisenbahn magazin’ berichtete, Roco habe drei verschiedene Farbgebungen zur Abstimmung gebracht, zwei aufwändig gesprenkelte graue Bettungen sowie das bereits bekannte Braun. Was nicht gezeigt wurde, war die später realisierte blaugraue Farbe, von der Roco dann aber feist behauptete, diese entspreche dem ausdrücklichen Wunsch der Mehrheit der Modellbahner. Man nennt sowas: Lüge.
Dass eine unsympathische, leblose Farbe durchgeboxt wurde, obwohl märklin und Fleischmann als Platzhirsche ihre Bettungen in sympathischer Colorierung anboten, das kann man nur mit emotionaler Armut der Entscheider erklären.
Denn die normalen Modellbahner kaufen nach Sympathie, nicht nach technischen Daten. Und tatsächlich wurde und wird kaum jemand mit diesem Blaugrau wirklich warm. Emotionen spielen bei der Kaufentscheidung eine große Rolle, wie ich erfahren durfte:
Mitte der 90er Jahre jobbte ich in einem Fachgeschäft und stieß trotz meiner wohlwollenden Empfehlungen fortwährend auf Ablehnung des RocoGleises durch die Neukunden: Rocos Bettung sehe “zu künstlich” aus. Wie sagt man heute? ‚Bäm!‘ Und dann kaufte man mir entweder Fleischmanns Startsets „des Jahres“ mit dem Profi-Gleis ab oder, natürlich, märklin-Sets, auch mit Metallgleis. Stichwort Farbe, wem fällt was auf? Genau.
Fazit: Roco Line ist ein tolles Gleis, wenn man es ohne Bettungen kauft. Dann kann man die Gleisfiguren frei aufbauen. Die Preise für die passenden Antriebe sollte man bei Roco dringend überdenken.