märklins neue Kurzkupplung 72000 (.001 = Muster)
Die neue Kupplung von märklin ist offenkundig der bewährten Kupplung von RTS nachempfunden. Zwei derart verschiedene Konzepte vertragen sich nur bedingt miteinander.
Es heißt, die roten Kupplungs-Muster würden von märklin derzeit ausgegeben, um durch Feedback etwaige Fehler ausmerzen zu können, bevor die Serien-Fertigung beginnt. Soweit eine gute Idee. Während andernorts bereits die Lobhudelei eingesetzt hat, frage ich mich, inwieweit die Konstrukteure überhaupt selber mit der Modellbahn spielen. Weil, dann hätte ihnen dies oder das auffallen müssen.
Das erste mir zur Verfügung gestellte Pärchen zeigte schon bei seiner Ankunft in alle Richtungen verbogene Metall-Bügel. Beim sorgfältigen Zurechtbiegen bemerkte ich, wie irritierend weich das Metall ist.
Nach dem vorsichtigen ‚Geradebiegen‘ folgten Ankuppel-Tests in einem Modellbahn-Club, auf einer K-Gleis Anlage. Bei fast allen Versuchen drückten sich die Bügel gegenseitig hoch, das Ankuppeln verhindernd. Vier interessierte Zeugen grinsten natürlich: „Jung, isch denke, dat iss neu…?“ ☺️
Sobald die Fahrzeuge dann doch mal angekuppelt waren, wirkte die Verbindung unerwartet eng, mit sehr wenig, fein akzentuiertem Spiel. Erfahrungen aus der jüngeren Vergangenheit lassen den Verdacht aufkommen, dass diese Enge bei bestimmten märklin-Waggons das Ankuppeln verhindern wird.
Zum Lösen einfach den Waggon nach oben wegschwenken, das klappt nach wie vor nicht, im Gegenteil: Die Fahrzeuge halten superfest zusammen. Zum freien Entkuppeln braucht man entweder den märklin-Löffel, oder man greift drunter.
Beim vorsichtigen Herausziehen aus dem Kupplungs-Schacht zerbrach dann der erste Bügel seitlich, und der zweite gab beim Transport nach hause auf. An identischer Stelle. Das Metall ist entweder zu weich oder zu dünn. Die Biester sitzen übrigens extrem stramm im Schacht.
Gerade bei märklin sollte man voraussetzen können, Metall als Werkstoff professionell einsetzen zu können. Das hier verwendete Material ist für den alltäglichen Betrieb womöglich untauglich; märklins bislang verwendete Kupplungen sind zumindest stabil. Das sollte auch für diese Kupplungen gelten.
Schließlich erhielt ich weitere Kupplungen, und auch die ließen mich eher ratlos zurück. So sehr ich märklin als Firma, als Marke und auch die Produkte an sich wertschätze, diese Kupplung frustriert mich. Denn sie erfüllt selbst ihre ureigenste Funktion nur selten zuverlässig, das Ankuppeln ist Glückssache.
Zunächst störten einige Plättchen der Vorentkupplung, diese waren so weit nach unten gebogen (Handarbeit?), dass der Bügel der anderen Kupplung zuverlässig darüber hinweg gleiten konnte. Mit einer Pinzette kann man das vorsichtig nachbessern, aber will man das müssen? Die vielen Fransen lassen sich nur bei sauberer Fertigung abstellen, denn auch daran kann sich ein Bügel verfangen.
Übrigens: Ich frage mich, ob die Funktion der ‚Vorentkupplung‘ überhaupt wirklich Flächen deckend genutzt wird, oder ob das nicht eher ein Werbe-Argument der 80er Jahre gewesen ist…?
Man bekommt den Eindruck, dass der Kupplungs-Haken auf der Rückseite etwas zu dick geraten ist, als dass der Bügel sicher herabfallen könnte. Oder man hat die Aussparung im Bügel zu eng dimensioniert. Mit einem Schubs klappt das Ankuppeln oft, aber heutige Lokomotiven fahren wunderbar sanft. Auch Rangierloks. Sogar von märklin. 😉 Und dann beginnt die Nerverei.
Kleiner Seitenhieb: Die RTS Kupplungen kuppeln superweich ein, und ihre Bügel liegen artig aufeinander.
Den genannten zweiten Schwung Kupplungen habe ich an allen möglichen Fahrzeugen ausprobiert, aber es macht einfach keinen Spaß. Dazu ein paar Wackel-Videos, die ‚in echt‘ zeigen, wie widerborstig sich diese neue Kupplung von märklin tatsächlich benimmt.
- Der märklin Klassiker: Die Bügel heben sich gegenseitig hoch. Immer und immer wieder.
2a. Die neue KK verschmäht sogar die Haus-eigene Relex-Kupplung:
2b. Im Vergleich: Die RTS Kupplung braucht einen Schubs, aber es klappt.
3. Frust-Deluxe. Alles märklin, die Waggons, die Gleise, die neuen Kupplungen. Ergebnis:
Natürlich stand auch ein Kompatibilitäts-Test mit der ‚Klotz-Telex‘ an. (Manche Vokabeln sind einfach großartig!) Das Ergebnis kann man sich leider denken, dabei hatte ich meine Klotz-Kupplungen sogar seitlich und innen etwas ausgespart, damit sie einwandfrei mit der von mir favourisierten RTS Kupplung harmonieren. Diese Kombination zumindest funktioniert klasse, so bereitet das Rangieren Freude. märklins neue Kupplung (wieso hat die eigentlich keinen Namen bekommen? Gibt märklin seine Traditionen auf?) zickt, weil der Bügel in vielerlei Hinsicht fehlgeformt ist. Wenigstens Marken-intern sollte es funktionieren. Aber:
Das Anschauen tut schon ein bisschen weh. Aber ich gehe davon aus, dass man die Kritikpunkte ohne diese ‚Beweis‘-Videos in bewährter Manier einfach abstreiten würde: „Haben wir nicht feststellen können!“ oder „Sie sind der Einzige, der sich beschwert“, Branchen-weit das beliebteste wenngleich respektloseste Mantra.
Was fehlt:
Diese Kupplung wurde entwickelt mit Blick auf die Modellbahner, die ohne Mittelleiter fahren, weil man denen einen stärkeren Vorbild-Bezug nachsagt (Stichwort Puffer-Höhe), das mag sogar stimmen. Aber wenn das so ist, wieso versäumt man dann, auch für die bei anderen Herstellern oft verwendeten, speziellen Kupplungs-Aufnahmen Kupplungen anzubieten?
Wozu hat märklin einen ehemaligen Roco-Mitarbeiter eingestellt, wenn der jetzt nicht dafür sorgt, dass die ehedem betreuten Fahrzeuge mit besonderer Schwalbenschwanz-Aufnahme ebenfalls märklin-Kupplungen erhalten können? Ebenso fehlen Adapter für Fleischmanns Schlitz- oder Zapfen-Aufnahmen – mit integriertem Normschacht wohlgemerkt. Das wären mal richtig Markt-integere Produkte. Anstatt den H0-Markt vollumfänglich zu bedienen und gelassen Größe zu zeigen denkt man bei märklin wieder nur an den eigenen Mikrokosmos Ich dachte, die 80er seien vorbei…
Mir erschließt sich diese Kupplung nicht.
Wenn man das RTS-Original entweder nicht verstanden hat oder aber dessen spezifischen Eigenheiten absichtlich ignoriert, dann braucht man sich über Ergebnisse wie hier gezeigt nicht zu wundern. Die Detail-Liste fehlt hier absichtlich; wer ein Produkt derart arrogant in den Sand setzt, der bedarf auch keiner Hilfe.
Einerseits ist es angenehm, dass man bei märklin inzwischen auf Hinweise von außen reagiert und die Bereitschaft zeigt, das eigene Sortiment von Unzulänglichkeiten zu befreien. Aber das Rad (oder eben eine Kupplung) neu zu erfinden, das ist Quark. Man hätte einfach die RTS Kupplung zur neuen märklin-Kupplung erklären können, vielleicht sogar mit einer zeitlich begrenzten Umtausch-Aktion, und die Modellbahn-Welt in H0 wäre endlich sorgenfrei; zumindest die üblichen „85%“. Aber man wusste es besser.
Es bleibt zu hoffen, dass sich märklin noch besinnt und dieses Produkt so nicht als Serie ausliefert. märklin kann es besser, vor allem, wenn sie bei sich und ihrer klaren Linie bleiben. Dann sind sie sogar richtig gut. 🙂👍🏻
Eine neue, coole Kupplung von märklin wäre der Knüller. Diese Muster sind … alles Andere.
Schon Peter Pasetti sagte: „Briefe muss man eben lesen können.“ 😉
Lesehinweis: Pikos eigene Kupplung betrachte ich hier: https://blog.mobaz.de/2020/07/31/pikos-neue-h0-kurz-kupplung-56046/