Als Roco noch Qualität kannte… BR 110 43392
Es war 1993, als die Firma ‚Roco‘ eine (fast) rundum brandneue E-Lok der BR 110 vorstellte. Dieses Modell war schwer beeindruckend, in jeder Hinsicht.
Damals ging Roco schon seit Jahren den konsequenten Weg Richtung ‚edel‘. Die Qualität der Lackierung wurde ständig verbessert, die Motore neuerdings überdreht, und sinnvoll eingesetzter Zinkdruckguß ersetzte weitläufig den zuvor im Fahrgestell verwendeten Kunststoff. Sogar die Beleuchtung war im analogen Betrieb schön zu erkennen, wenigstens in den vier unteren Lampen.
In Summe wurde 1993 mit der BR 110 ein echtes Schmuckstück ausgeliefert, das nicht nur beeindruckte, sondern immer wieder aufs Neue Freude bereitete. Konstruktions- und Fertigungs-Qualität überzeugen bis heute.
Vor allem das auffällige Gewicht der Maschine entsprach so gar nicht dem Vorurteil, das vor allem sture märklin-Fans den Loks von Roco entgegenbrachten. Die Erklärung zeigte sich unter dem Dach, im Wortsinn: Ein zusätzlicher Metalldeckel füllte den Luftraum aus; wie schon bei Rocos V200 aus 1984(!).
Interessant, dass man Piko auf Derartiges erst wegen recht leichter Loks hinweisen musste, bis schließlich die 181.2 ähnlich ausgestattet wurde…
Diese exzellent lackierte 110 in ihrem (womöglich falschen) Kobaltblau und lautlosem Antrieb war eine Sensation, für mich zumindest. Damit zu spielen war und ist eine Offenbarung, und die Lok zieht ordentlich was weg, vor allem mit Haftreifen, die nicht von Roco stammen… ☺️
Ein Decoder passte ebenfalls in die Lok; die Schnittstelle verbarg sich auf der Platine, der Decoder wurde in einer Ausstausch-Wanne zwischen den Drehgestellen untergebracht. Besser wäre natürlich eine versteckte Unterbringung oben im Rahmen vor dem Motor gewesen, klar.
Heutzutage liefert Roco in seinen Loks vor allem viel Luft mit; Decoder, Lautsprecher und Kondensatoren brauchen Raum, verständlich. Aber warum man sich nicht an die guten Ideen der Vorgänger im eigenen Laden erinnert und die Loks per Metall-Einsatz so schwer wie möglich konzipiert, das lässt sich nur mit Unwissen, Gleichgültigkeit oder Geiz erklären. Alles ärgerlich.
Kritisieren könnte man bei der ’93er Version die schwache Illuminierung der oberen Spitzenlichter, aber das war man von Roco eigentlich gewohnt. Was mich aber wirklich überraschte: 1990 spendierte Roco der nagelneuen E41 wunderschöne Drehgestellblenden, die besonders tief durchgestaltet, die E41 besonders „echt“ aussehen ließen. Die 110 und ihre Artverwandten aber ließ man mit Drehgestell-Blenden aus den 70er Jahren davonkommen, die lediglich vor den Rädern angebracht sind – das ist bis heute der Fall. Allein die E10.12 für den damaligen Roco Club erhielt neue Blenden; dies allerdings bedurfte eines (erfolgreichen) Komplotts. 🙂
Rocos damalige Schnittstelle – drei Fragen.
Rückblickend fragt man sich schon, was Rocos Entscheider Anfang der 90er Jahre bewogen hat, die Schnittstellen-Thematik derart umständlich zu gestalten.
- Schon damals hätte Roco dämmern müssen, dass man nicht eine, sondern zwei Zusatz-Funktionen braucht. Denn Lokomotiven aus europäischen Landen besitzen überraschend oft (Ironie, mkay?) beidseitig Schlusslichter, die man seitenweise abschalten möchte. Die achtpolige Schnittstelle war also schon 1993 wie Fahren mit angezogener Handbremse. Und Decoder mit diversen Zusatzfunktionen hatte Lenz bereits Ende der 80er Jahre für märklins ‚Hamo‘ BR 86 gefertigt, die Technik war also entwickelt. Und sowas Unfertiges lässt man auch noch international normen!
- Der Stecker hätte von Anfang an direkt auf dem Decoder befestigt sein müssen, wenigstens für die vielen Diesel- und Elektroloks mit Standard-Platinen, vor allem: Verdrehsicher! Das wäre praktisch gewesen und hätte vielen Modellbahnern vielerlei Frust erspart.
- Die Glühlampen waren so ein spezielles Roco-Thema; viel zu lang nahm man auf Analog-Bahner Rücksicht und steckte Lampen für 12 Volt in die Loks. Während es die Musik-Branche mit cleverem Marketing schaffte, ganze LP-Sammlungen komplett gegen CDs auszutauschen, sorgte sich die Modellbahn-Branche um vergrätzte Kunden, obwohl deren Investitionen erhalten und sogar aufgewertet wurden. Sehr kleingeistig – und vor allem bequem: „dann kommen die wieder und sagen…“. Man hätte vielleicht aus den Reklamationen bei Arnold-N seit 1988 lernen können, deren Nutzer sich zu oft über eingeschmolzene Dächer beklagten. Auch dort schwieg man zu dem Thema, vermutlich Angst-getrieben, die Kunden könnten ‚digital‘ kompliziert oder unnötig teuer finden. Besonders ärglich war, dass Roco trotz vieler Hinweise über Jahre im Katalog verschwieg, dass Lämpchen, die ohne Decoder direkt vom Gleis versorgt werden, sicherheitshalber für 24V ausgelegt sein sollten. Und ja, Loks mit Decoder bekommen 16V oder 19V Lämpchen. Oder, heute zumindest, warm- oder goldweiße LED. Fleischmann dagegen hat das Thema im Katalog einfach beschrieben – mit klaren Angaben.
Wer also eine Roco 110 oder Ähnliches aus dieser Generation besitzt kann sich wirklich glücklich schätzen. 🙂