ET403, “der weiße Hai”, der Super-Schnellzug der Bundesbahn.

Fünf Jahre jung war ich, als mir mein Großvater 1977 eine damals gerade nagelneue Schallplatte schenkte, mit dem spektakulären Titel “ET 403 – Wie ein Blitz durch Deutschland”.

Eine Schallplatte als Ursache für eine lebenslange Leidenschaft. 🙂

Auf dem zeitgenössisch gestalteten Cover warf sich stolz der ET403 in Pose. Klar wurde die LP direkt aufgelegt, und ich erfuhr viel über diesen supermodernen Schnelltriebzug, von dem ich bis dahin noch nie gehört hatte. Die Aufnahme vermittelt durch viele Interviews mit Bundesbahn-Leuten eine fast greifbare Nähe zum Fahrzeug, der Auflockerung halber eingebettet in eine nette, harmlose Rahmenhandlung. Sogar Modellbahnen werden erwähnt. Übrigens, wer zeitgenössische Hörspiele von Europa mag, wird viele der Sprecher wiedererkennen.

Nach den vielen Jahren etwas abgenudelt, aber spielt nach wie vor. Hat jemand zufällig die Cassette übrig?
„Printed by Gerhard Kaiser GmbH, Essen“.

Nur wenige Tage später präsentierte sich der neue Starzug der Bundesbahn höchstpersönlich in Essen HBF, da mussten wir natürlich hin. Vor allem beeindruckten mich die dramatisch geneigten Frontscheiben. Um die LP zu zitieren: So etwas hatte ich zuvor noch nie gesehen.

Auf Youtube gibt es ein Privat-Video zu dieser Veranstaltung, so etwas ist natürlich besonders schön: https://www.youtube.com/watch?v=OzURTN81P2Y

Im Stummiforum wurden tolle Fotos von diesem ET403-Event veröffentlicht:

https://www.stummiforum.de/viewtopic.php?t=71633

Es sollte 15 Jahre dauern, bis ich wieder einen echten ET 403 in 1:1 berühren konnte. Bis dahin musste 1:87 reichen, und um diese Modelle soll es hier gehen.

ET403 von Lima ‚Golden Series‘.

So sahen Lima-Startsets in den 80er Jahren aus. Braucht man zum Einstieg eigentlich mehr? Okay, mehr Gleise, das ist klar.

Als ich Mitte der 80er Jahre beschlossen hatte, meine LGB mit einer H0 Modellbahn zu ergänzen, war klar, dass ich mit dem Lima-Modell des ET403 als InterCity beginnen wollte. Geschenkt bekam ich dann aber nicht den Zug aus dem Sortiment “Golden Series”, sondern eine Startpackung von Lima mit einem abgespeckten ET403 darin. Und dieser war weder beleuchtet, noch schön lackiert: Es war ein viel zu dunkelgrauer Zug mit zuwenig Gleisen. Das war schon doof.

Plastik-Achsen im Startset. Sammeln Schmutz von den Gleisen und verteilen ihn gleichmäßig.

Viele Jahre später habe ich dann gehört, Lima habe diesen Zug Ende der 70er Jahre nur als ‚Spielzeug‘ konzipiert, daher die in diesem Fall angegossenen Dachlüfter, sei dann aber auf eine ‚Modell‘-Ausführung mit mehr Details umgeschwenkt. Ob das so stimmen kann, angesichts der maßstäblichen Länge? Ein klarer Nachteil waren die nur hinterlegten Seitenfenster, so sahen die Modelle weniger schnittig aus, als sie hätten sein können.

Dächer im Vergleich: Lima Nova (mit Sommerfeldt-Panto), Hornby-Rivarossi, Lima-Start.

Das Modell ‚Golden Series‘ hat unter beiden Führerständen eine Glühlampe, die man beim Umbau auf Digital unbedingt gegen eine 24V Birne oder LED austauschen sollte, die Gehäuse sind meistens nett weiß lackiert, und die Achsen sämtlich aus Metall (in der Startpackung aus Plastik), wobei eventuelles Eiern eliminiert werden kann durch den Austausch der Achsen gegen neue mit 10,3 mm-Rädern; zum Beispiel von evemodel (via Amazon oder ebay).

Limas Haken-Ösen-Kupplungen sehen archaisch aus, funktionieren aber ganz gut, sogar beim Schieben.

Wer seine ‚Golden Series‘ 403er enger kuppeln möchte, findet perfekt geeignete Kurzkupplungskulissen (was für ein Wort) bei Symoba, die diese bewährten Produkte bereits seit Mitte der 80er Jahre anbieten. Man beachte das Firmen-Logo: http://www.symoba-schniering.de/

Ebenso ist der sogenannte „Pfannkuchen-Motor“ zwar offiziell ungeliebt – aber er funktioniert klaglos. Im Drehgestell dieses langen Fahrzeugs schrappen die Zahnräder in engen Kurven allerdings gegen die Fenster. Na sowas.

Schlicht, aber eigentlich unverwüstlich.
Limas Italo-Motor fällt weniger auf, als sein China-Nachfolger.

In Summe war das hier nicht gezeigte ‚Golden Series‘ Modell ganz gut gelungen, gerade im Vergleich zu dem, was Lima zuvor so gefertigt hatte. Auf ebay bekommt man diese Versionen oft für €90 (bespielt) bis €110. Und für Bastler ideal, um Innenbeleuchtungen, LED-Lichtwechsel etc. nachzurüsten.

ET403 von Lima ‚Nova‘.

Die zweite Generation der ‚Lima-Nova‘ Sets in dunkelblauem Karton, nun als ‚Collection‘ bezeichnet. Latein hielt man offenbar für zu kompliziert...

1991 Jahre brachte Lima in Zusammenarbeit mit Lemke eine überarbeitete Version heraus. Dazu bediente man sich einer ungewöhnlichen Konstruktion: Die Fenster waren nicht mehr eingesetzt. Sondern das gesamte Gehäuse bestand aus einem Stück leicht getönten Kunststoffs, dass dann unter Aussparung der Fenster lackiert wurde. Diese Lackierung war nun etwas näher an den Vorbildern (aber noch immer nicht kieselgrau), und es gab ab Werk eine funktionierende Kurzkupplung. Auch wichtig: Die Drehgestelle besaßen nun endlich den richtigen, weiteren Achsstand.

Man sieht das, was unsichtbar sein soll: Gestatten, der Motor.

Aber im Endwagen mit Antrieb hatte man die Einrichtung weggelassen. Denn trotz der Vorhänge aus Plastik klar zu erkennen thronte der Motor auf einem massiven Metallblock. Außerdem lag der Motorwagen etwas tiefer, als die anderen drei Fahrzeuge. Insgesamt wenig sinnvoll konstruiert (und später von Roco für den ICE-TD ähnlich wiederholt – denken darf man).

Fliegend verkabelt, das wird bald ersetzt. Schlimmer ist, dass Lima hier keine Einrichtung vorsah.
Die kleinen weißen Plastik-Plättchen bringen den ‚Nova‘-Triebkopf auf passende Höhe.

Es gab zwar einen Lichtwechsel, aber die Glühlampen lagen nebeneinander. Wie das ausgesehen hat, kann sich jeder vorstellen, am Schluss einseitig rot, an der Front halb weiß, halb rosa.

Wiederum wurde auch die Variante in Lufthansa-Farbe produziert, und zwar in zwei Auflagen: Die zweite Auflage im blauen Karton war schöner lackiert, als die erste im silbernen. Die Panthos aller ‚Nova‘-Versionen zerbrechen gern, Neuteile von Sommerfeldt oder Piko helfen.

Links die bewegliche Kupplung, die in den starren Kupplungsträger des Motorwagen greifen soll.

Einer der Kupplungsträger der Mittelwaggons besitzt eine leicht seitenbewegliche Kupplung. Diese gehört an das Ende des Mittelwaggons, der direkt an den Motorwagen angekuppelt wird. Das kann man selber leicht austauschen. Der Fertigung war der Sinn dieses Elements wohl nicht ganz klar…

In Summe ist diese zweite Modell-Generation ’schöner‘, als die erste, aber sie birgt eben neue Nachteile.

ET403 von “Rivarossi” (Hornby).

Hornbys Version im knallroten Karton mit Klappdeckel.

2010 oder so lieferte Hornby unter deutscher Federführung eine aufgemotzte Neuauflage der Lima-Nova-Version als InterCity. Und endlich stimmten die Farben, kieselgrau, braun mit orange-Anteil, orangefarbene Streifen im passenden Ton. Nur hätten die Zierstreifen an der Front der horizontalen Linie folgen müssen, statt dessen druckte Hornby die Linien stets gleichbleibend schmal auf – was in der Frontansicht sehr unglücklich ausschaut. Hier war Lima vorbildgerechter.

Der Antrieb war in den Speisewagen verlegt worden – erstmal eine gute Idee. Aber der Motor ragte unübersehbar weit in den Speiseraum hinein, das sieht unmöglich aus. Dass die Pantographen noch immer nicht an der richtigen Stelle sitzen nervt zwar, lässt sich aber mit etwas Aufwand korrigieren.

Was für eine blöde Konstruktion. Ich habe die Fenster meines Zuges mit schwarzem Karton abgeklebt, damit der Motor im Speisewagen nicht aussieht, als liege dort ein Walfisch…

Technisch über der Höhe der Zeit hat dieser Zug gleich zwei verschiedene Schnittstellen, rot/weißen Lichtwechsel, sowie Innenbeleuchtung in allen Fahrzeugen, zu 100% mit LED. Zudem eine Stromaufnahme von beiden End-Wagen, die je nach Fahrtrichtung wechselt – allerdings nur im Analogbetrieb. Im Digitalbetrieb schaltete das Relais munter alle paar Sekunden hin und her. Klick … klack … klick … Warum zum Henker konstruiert man so einen Mist? Ich habe den Quatsch ausgebaut; meine Züge nehmen den Strom jetzt von einem Endwagen auf. Basta.

…nett gemeint, fummelig gemacht.

Eine Warnung! Bei der Demontage der Endwagen VORSICHTIG vorgehen. Denn man reißt sich sonst die Lichtleiter ab. Diese befinden sich fest in einem Kästchen am Wagenboden und ragen vorn tief ins Gehäuse. Dieses muss man also seeehr bedächtig handhaben und dabei immer nur sanft Richtung Führerstand arbeiten. Ersatzteile? *kicher*, nee nee…

Zu niedrige Spurkränze machen keinen Spaß, wenn man mit seinen Zügen auf herkömmlichen Gleisen fahren möchte…

Die Räder tragen nun silberne Nachbildungen der Bremsscheiben (gut), aber ihre Spurkränze sind extrem niedrig, ähnlich RP25 (schlecht), sodass diese Züge z.B. auf Fleischmanns Bogen-Weichen aus dem ‚Profi‘-Sortiment entgleisen können. Es gibt technische Gewohnheiten. An denen kann man sich orientieren, zum Wohle des Kunden.

Die Strom führenden Kupplung reichen bis knapp über die Schienen-Oberkante – ebenfalls nicht gerade eine brilliante Idee.

Bremsscheiben: gut. Kabelführung: Mutig.

Eine avisierte märklin-kompatible Version ersparte man sich (und dem Markt), und in Lufthansa-Farben erschien der Hornby-Zug gleich gar nicht, immerhin dies ist bedauerlich.

Zu dieser Modell-Generation gibt es auf YouTube ein nettes Fahr-Video: https://www.youtube.com/watch?v=IAlZtgqYlAY

Fazit: Dreieinhalb Modell-Generationen, und noch immer gibt es kein Modell des ET403, das wirklich überzeugt. Gerade im Fall von Hornby hatte ich anhand der maßstäblichen Basis ein cooles Modell erwartet.

Mehr zum ET403 von ‚Modellbahn Union‘ / ‚dm-toys‘ hier auf meinem Blog:

ET403 von märklin / Trix.

https://www.maerklin.de/de/produkte/details/article/37778/136/

https://www.trix.de/produkte/details/article/22778

Auch märklin hatte sich zwischenzeitlich des ET 403 angenommen. Es wurden erst die Variante IC, dann die Lufthansa angeboten, als Insider-Modelle – direkt in zwei aufeinander folgenden Jahren. Angesichts der eher speziellen Zielgruppe nicht unbedingt eine verkaufsfördernde Entscheidung, wie man später hörte.

Die Züge besaßen, typisch märklin, Gehäuse aus Metall und viele technischen Features wie Lichtwechsel über LED, Innenbeleuchtung und Sound. Im Stummiforum wurde viele Monate lang über die optimalen Decodereinstellungen diskutiert.

Die aufwändig und zufällig beschalteten Tisch-Lampen im Speisewagen hätte sich märklin übrigens sparen können: Deren Licht war bei den Vorbildern von außen nicht zu sehen.

Die Produkt-Qualität des Zuges war im Prinzip okay – ausgerechnet das typische Gesicht des Zuges aber hat märklin mal so richtig gründlich vergeigt: Die Proportionen der Front entsprechen in keinem Detail wirklich dem Vorbild. Die Scheinwerfer wirken zu groß und eigenartig angeordnet, die Rahmen der Frontfenster zu eckig, die Seitenfenster und Zwischenstege folgen nicht den Proportionen des Vorbildes. Seitlich betrachtet meint man, einen eigenartigen Knick in Front wahrzunehmen, so etwa ein Drittel unter Dachkante. Das Ganze sieht dem ET403 allemal ähnlich. Aber Limas 30 Jahre ältere Modell trifft das Vorbild um Welten besser. Und sowas konstruiert märklin in Deutschland? Mehr als fragwürdig. Material und Markenname sind nicht alles.

ET403 von EL-MO.

In H0 gab es Anfang der 80er Jahre noch ein weiteres, eher unbekanntes Modell einer Marke, die sich “El-Mo” nannte. Diese Abkürzung hat natürlich nichts mit dem roten Knuddelwesen aus der Sesamstraße zu tun, sondern ‚elektrische Modellbahn‘ ist die sinnfällige Erklärung. Ich habe so einen Zug mal besessen. Kurz. Die passend ausgesuchte Farben sind Pluspunkte, und man hat ein paar nette Ideen umgesetzt, wie zum Beispiel von außen eingesetzte Seitenfenster. Aber mein Modell konnte sich vierteilig nicht sorgenfrei fortbewegen. Eigentlich schade, richtig doof war das Modell nämlich nicht.

ET403 von LSmodels.

Da war doch was? Seit rund zehn Jahren lässt Lsmodels nun seine Kunden auf ein vorgeblich rundum perfektes Modell des ET403 warten. Und man erfährt jährlich neue Gründe, warum es auch diesmal wieder nicht klappen könne…

Kurz, das bekannte Muster verspricht tatsächlich eine Sensation, und immerhin die Wartezeit ist bereits eine solche.

Ich habe mir unterdessen einen zweiten Hornby-Zug gekauft, und dazu einen Lufthansa-Zug von Lima-Nova. Einer möglicherweise doch noch erfolgenden Produktion des ET403 von LSm sehe ich inzwischen gleichgültig entgegen.

ET403 1:1 der Lufthansa.

Meine zweite und bislang letzte Begegnung mit einem ET403 war 1991 in Düsseldorf. Ich war auf dem Weg zu einer Flugreise, und ziemlich aufgeregt schwatze ich auf meine bedauernswerte Großmutter ein. Diese deutete plötzlich nach vorn und sagte im Wissen um die besagte Schallplatte “schau mal, was da steht”. Ui. Ich blickte auf eine Doppel-Traktion des ET403, in Lufthansa-Farben und rundherum prima gepflegt.

Meine Reise war für die nächsten Minuten vergessen, und meine Großmutter grinste sich eins über ihren 403er-begeisterten Enkel, der jeden Winkel der schneidigen Front ausloten musste: Was für eine Eleganz! Was für eine Arroganz! Wie kühn und vor allem hartnäckig müssen die damaligen Designer gewesen sein, so ein irres Ding innerhalb der Bundesbahn durchzukriegen!

Und beim Wegfahren des Zuges gab es für mich eine Überraschung: Der ET403 ist technisch nämlich sehr eng verwandt mit den “Olympia”-S-Bahn-Zügen ET420, und so ähnelt sein Fahrgeräusch eben dem der zeitgenössischen S-Bahnen.

Eins, Zwei oder Drei – zum Glück braucht man sich nicht zu entscheiden. 🙂

So sind denn die drei Züge der Reihe ET403 für mich mehr, als sogenannte ‚Lieblings-Züge‘, sie sind vor allem eine besondere Erinnerung an meine Großeltern und an eine insgesamt angenehmere Zeit.

Eine ganz wunderbare Website über den ET403 gibt es natürlich längst, das dort gezeigte Buch ist für Freunde dieser Triebzüge unbedingt empfehlenswert.

👉🏻 http://et403.bplaced.net/index.html

Weiteres zu den Vorbildern und ihrem angedachten Neu-Aufbau gibt es hier:

👉🏻 https://et403.com/home.html

🙂🚂