Lima ICE 1 HL1750 – fragwürdig in fast jeder Hinsicht.

(C) Hornby, erstes offizielles Foto des ICE1. Und ich hatte gehofft, die Fahrgestelle würden noch richtig lackiert…

Manchen Text muss man mehrmals neu beginnen, weil das Thema einfach wenig erbaulich ist. Aber es nützt ja nichts… Hornbys ICE1 ist zumindest für mich eine herbe Enttäuschung – und einer der Gründe, warum sich meine Einstellung zum Hobby grundlegend geändert und enstpannt hat.

Als Hornby unter dem Label ‚Lima‘ (was soll der Label-Quatsch eigentlich?) einen ICE1 ankündigte, blieb ich davon eigenartig unberührt. Und das, obwohl ich mir seit den 90er Jahren genau so ein Modell gewünscht hatte, damals allerdings noch von Roco. (Wie sich die Dinge ändern können…) Meine Intuition ist offensichtlich ziemlich gut.

Die Verwendung der Modellfotos von Mag. Markus Inderst wurde mir schriftlich ausdrücklich erlaubt. Seine Website zum Thema: https://modellbahninfo.org/modelle-20220914-03/

Statt beige-ähnlichem „Quarzgrau“ verwendet Honby „Basaltgrau“ – falsch. (c) Mag. Markus Inderst

Denn, als die ersten Fotos auftauchten, hoffte ich noch auf Fehler der Handmuster, die in der Serie korrigiert würden – leider lieferte man das Modell nach Bundesbahn-Vorbild dann tatsächlich mit falsch-farbenen Fahrgestellen und -Dächern aus: Verwendet wurde basaltgrau statt quarzgrau, und die Lackierung ist oft alles andere, als sauber.

Lackierung & Formenbau: Beides konnte Fleischmann schon 1992 besser. (c) Mag. Markus Inderst

Allein das alles spricht schon mal gegen den Erwerb, jedenfalls für mich, weil die Fahrzeuge dadurch einen völlig anderen Eindruck machen. Zudem: Angesichts der Fehler-Hysterie in Modellbahn-Foren ist es bemerkenswert, wie nachsichtig die Reaktionen in diesem Fall waren („wer weiß das schon…?“).

Hornbys Kupplungsträger gleicht denen von Fleischmann sehr auffallend. (c) Mag. Markus Inderst

Schließlich stellte sich heraus, dass die ‚Lima‘-Triebköpfe den Fleischmann-H0 Modellen in fast grotesker Weise ähneln: Aufhängung und Konzeption der Drehgestelle sehen gleich aus, die Kupplungs-Aufnahmen mit den aufrecht stehenden Spezial-Stegen kennt man sogar ausschließlich von Fleischmanns ICE-Zügen.

Auch die Anbringung der Führerstände sowie die Arretierung der Gehäuse auf den Fahrgestellen kennt man so von Fleischmann. Es wurde gelästert, dass man im Prinzip die Gehäuse austauschen könne, wenn sich nicht ausgerechnet die Schraub-Vorrichtungen unterschieden, naturgemäß, weil anstelle des Drehgestell-Motors ein Mittelmotor eingesetzt wird. Im Vergleich zum Fleischmann-Modell zeigt sich Hornbys ICE1 in vielen Details eher grob – und dem Fleischmann ‚Vorbild‘ unterlegen.

In einem Forum finden sich viele Detail-Fotos von den Innereien des ICE1, gerne hier mal nachschauen: https://www.h0-modellbahnforum.de/t348882f54849-LimaExpert-ICE-die-Freude-war-Gross-der-Erste-Eindruck-ueberzeugend-doch-das-Getriebelager-war-schwach.html#msg3910618

Weitere Beschwerden folgten hier: https://www.h0-modellbahnforum.de/t349173f54854-Lima-HL-HL-ICE-Flecken-auf-Triebkopfdach.html

Ein vorhandenes Modellbahn-Produkt in so vielen konstruktiven Details derart dreist nachzubauen halte ich für richtig schlechten Stil. Das ist meine persönliche Meinung, dies ist übrigens mein persönlicher Blog, keine ‚amtliche Bekanntmachung‘.

Hornbys fragwürdiger Stil setzte sich fort, als ich dort wegen der falschen Farbe nachfragte. Denn zuerst passiert mal gar nichts, trotz der Ansage, man erhalte ‚binnen 48 Stunden eine Antwort‘. Nunja. Erst nach dem Umweg des Weiterleitens meiner Anfrage an Hornby UK erhielt ich eine Antwort von Lima Italien, die in ihrer Anmaßung einen bemerkenswerten Sonderfall darstellt.

Okay, machen wir uns den Spaß, und zählen wir auf, was alles an dieser Antwort … ‚speziell‘ ist.

Screenshot der Email von Horbys ‚Customer Care‘. ‚Niveau‘ ist womöglich doch eine Handcreme…
  1. Die „einschlägige Fachliteratur“ als „teilweise falsch“ oder „fehlerhaft“ zu bezeichnen erinnert mich an die bekloppte Vokabel „Lügenpresse“. Damit disqualifiziert sich Hornby direkt, denn:
  2. Dass die Bundesbahn für die Serien-ICE1 anstelle von quarzgrau das bläuliche basaltgrau verwendet habe, ist schlicht Unsinn. Das belegen nicht nur tausende zeitgenössische Fotos der Vorbilder (wobei offenbar genau diese alle Hornby nicht vorgelegen haben, sowas aber auch), auch 100% der zeitgenössischen Modelle dieser Züge tragen identische Farben. Schwer vorstellbar, dass damals der Blätterwald geschwiegen hätte, zu Zeiten, als die Modellbahn-Presse noch seriös gearbeitet hat. Meine Anfrage im Verkehrs-Museum Nürnberg brachte eine klare Aussage zutage. Und dort nachzufragen wäre auch Hornby möglich gewesen. Dazu allerdings hätte man sich selbst infrage stellen müssen.
  3. vier (???) erste ICE1“ – es drängt sich einem der Verdacht auf, dass hier ein Modellbahn-Hersteller außerstande ist, ICE1 Züge von den drei ersten Lokomotiven der BR101 zu unterscheiden, deren Lackierung sich ursprünglich ja tatsächlich von den Loks ab der Nummer 004 unterschied.
  4. Der letzte Satz ergibt überhaupt keinen Sinn, weil die absurde These, die Hornby dort abstreitet, zuvor von mir gar nicht aufgestellt worden war. Im Gegenteil.
Screenshot der Antwort aus dem Verkehrsmuseum Nürnberg.

Ein weiterer – aber fast boshafter Fehler findet sich im Anschriftenfeld von Hornbys ICE1 in Bezug auf die für den Zug erlaubten Staatsbahnen: Dort findet sich zwar kein ‚A‘, aber dafür allen Ernstes die Angabe „DR“. Echt jetzt?

Ein damals nagelneuer ICE1 für marode „DDR“ Gleise – träum‘ weiter… (c) Mag. Markus Inderst

Befragt habe ich dazu das Nürnberger Verkehrsmuseum sowie einen namhaften Modellbahn-Hersteller; beide fanden für diese Angabe keinen einzigen Beleg. Keinen! Einzigen! Beide Seiten räumen die in höchstem Maße eher theoretische Möglichkeit dieser Anschrift ein (es gibt nichts, was es nicht gibt) – aber ‚ohne Beweis kein Modell‘ – so sagte man früher.

Das lässt Raum für Spekulationen Zu den Beweggründen zu, die durchaus kreativ sein dürfen; das war Hornby selbst schließlich auch: Wollte man den Zug etwa in den östlichen Bundesländern verkaufbar machen, egal, wie das Vorbild ausgesehen hat? Die graue Farbe war Hornby schließlich auch egal…

Dieses Modell ist meiner Ansicht nach recht hemdsärmelig konzipiert, beschriftet und lackiert. Dass ausgerechnet die Version der Bundesbahn so viele Fehler hat – und die der Bahn AG nicht – entspricht dem Habitus in Teilen der Branche, sich ganz besonders den ostdeutschen Kunden anzubiedern. Dass das rein zahlenmäßig Quatsch ist und wie in diesem Fall höchst unschöne Blüten treibt, sollte sich jedem Denkenden erschließen. Und das war nicht gegendert! 😁

Was Hornby dagegen autoritär ausgeschlossen hat ist der Umbau der Triebköpfe auf Mittelleiter-Betrieb. Anstelle unter den Drehgestellen der Endwagen explizit Plätze für die systemtypischen Schleifer vorzusehen, wurden hier gnubbelige Details angeformt. Hinweis: märklin H0 ist noch immer der Platzhirsch, ob einem das gefällt oder nicht. Deren zahlungskräftige Klientel absichtlich vom Kauf dieses ICE Zuges abzuhalten ist leider konkret geschäftsschädigendes Verhalten.

„saubere Zierlinien“ – nö. Schief isses. Und die ausgefransten Lampen sind … verschweigbar? (c) Mag. Markus Inderst.

Warum die Zeitschrift ‚Modelleisenbahner‘ trotz vorheriger Hinweise geradezu Lobgesänge auf den Zug anstimmt, das muss man nicht verstehen. Die angeblich „sauberen“ Zierlinien sind serienmäßig total schief aufgedruckt, dies verschweigt man einfach. Wirklich, sehr seriös.

Fazit: Was nützt einem die maßstäbliche Länge eines Modellbahn-Fahrzeugs, wenn sich dahinter so viel Lästiges versteckt..? Modellbahnerei ist immer auch ein Stück weit Identifikation. Und mit so einem zusammengehühnerten Fahrzeug möchte ich nichts zu tun haben.

Da sind mir die gestauchten ICE-Modelle von Fleischmann oder märklin lieber. Die sind wenigstens ehrlich, und ihre Farbgebung entspricht den Vorbildern. Zudem, nicht zu unterschätzen, man bekommt sogar Ersatzteile. Die Glaubwürdigkeit der Ideologie von ‚unbedingter Perfektion‘ hat schon vor langer Zeit Risse bekommen; Hornbys ICE1 trägt weiterhin dazu bei.